Die Musik beginnt leise und vorsichtig mit einem liegenden Ton, die Malerin Susanna Vecellio steht hinter dem Hellraumprojektor und zeichnet gelbe Linien auf die Folie. In der Mitte der Bühne ist eine grosse Leinwand aufgehängt, das Bild beginnt Gestalt anzunehmen. Instrumente kommen dazu, die Musik wird dichter, die Malerin reagiert auf die Musik und die Musiker und Musikerinnen auf das, was sie von hinten auf der Leinwand sehen.
……
Die grosse Leinwand ist mittlerweile schwarz, die beiden weiss gekleideten Musikerinnen davor sind kaum zu sehen. Jetzt beginnt die Malerin die Farbe wieder von der Folie abzukratzen einzelne Gliedmassen der Spielerinnen werden weiss, ein Gesicht erscheint, ein Instrument, und nach und nach wird auch die Musik leiser. Am Schluss sind wir dort, wo wir angefangen haben, Stille, fast leere Leinwand.
Beat Blaser MZ 15. Jan. 2009
Ein aufwändig gestaltetes CD-Booklet aus einem fortlaufenden Band von Bildern lädt ein zum Sehen und Hören. Die Bilder ziehen in ungewohnter Übereinstimmung mit der Musik an einem vorüber. Die beiden Zürcher Improvisatorinnen Margrit Schenker (Stimme und Akkordeon ) und Valentin Vecellio (Klarinetten) schaffen klare eindeutige Stimmungen jenseits jeder Beliebigkeit, und die Bilder von Susanna Nüesch scheinen das Erlebnis noch zu vertiefen. Geglückter Versuch des schon öfters gescheiterten Duos Musik-Malerei.
Tagesanzeiger, Mi 10. Mai 2000
Eine kleine Performance mit grosser Wirkung: Ein Künstlerkollektiv setzte sich mit dem Thema Emigration im Kunstpanorama Luzern auseinander. Emigration ist eine Reise, von der die Sesshaften wenig Ahnung haben. Sie hat mit Abschied zu tun, mit Ankunft und Ungewissheit. Die Menschen, die als Fremde im neuen Land ankommen und oft Fremde bleiben, durchleben ein aufwühlendes Spektrum von Emotionen. Diese Ebene hat am Montagabend vor allem die Musik deutlich gemacht. Sie war die tragende Kraft in der multimedialen Aufführung, die im Kunstpanorama vor schlichter Kulisse aufgeführt wurde.
Virtuelles Bodypainting . Valentin Vecellio (Klarinette, Komposition), Cristin Wildbolz (Kontrabass) und Carles Peris (Saxofon) begleiteten den Erzähler Christophe Balissat, grundierten die virtuelle Reise von Szene zu Szene oder traten solistisch in Erscheinung. Die bildende Künstlerin Susanna Vecellio-Nüesch arbeitete an einem Hellraumprojektor und liess die Farbstifte über die Folien wirbeln. Bisweilen stand der Erzähler zwischen ihr und der Leinwand, und die frei fliessenden Stifte zeichneten seine Gestalt wie ein virtuelles Bodypainting. Susanna Vecellio-Nüesch schuf Texturen und Figuren, liess die Farben einander verschlingen und immer wieder neue Schichten von bewegten Situationen daraus entstehen. Ihre Gestaltungen kulminierten in einem wunderbaren Schlussbild, das mit leuchtender Kraft die Ungewissheit und die Hoffnung zusammenbrachte. Das Hinausgeworfensein und den Aufbruch. Zuvor war der Erzähler vor der Leinwand gekauert und gestanden und hatte lyrische Texte von Elisabeth Wandeler-Deck rezitiert.
Als Arbeitskräfte willkommen . Die Reise durch acht Szenen begann mit Fakten aus der Geschichte und aus der bundesrätlichen Botschaft zur Revision des Ausländergesetzes. Wir vernahmen, dass die Schweiz bis zum Ersten Weltkrieg mit grosser Freizügigkeit Ausländer aufgenommen hatte. Später war es vor allem die Wirtschaftslage, die den Fluss der Migration in unser Land bestimmte. Je nach Pendel der Konjunktur wurden Arbeitskräfte in grossen Zahlen geholt. Arbeitskräfte, die als Menschen nicht immer willkommen waren. Die ansässigen Menschen machten Gesetze, die bestimmten, welche Ausländer warum bleiben konnten, wie sie sich zu benehmen hatten und wann es so weit war, sie wieder nach draussen zu schicken. Das alles ist festgeschrieben, und Christophe Balissat las die juristische Substantivitis auf eine Weise, die bewusst machte, dass zwischen Amtsdeutsch und Menschlichkeit oft Welten liegen. Mit Klage und Furor mischte sich die Musik ein. Porträts von Emigranten aus dem Schweizer Gastgewerbe wurden eingeblendet. Man hörte sie sprechen. Sie erzählten wie Menschen, in fremden Sprachen verständlich.
Gefühle aus dem Menschenbuch. Cristin Wildbolz und Carles Peris, selber westliche Migranten, die in fremden Städten leben, spielten in Soloparts ihre Emotionen frei. Der Saxofonist in tiefsten Tönen, roh wie gut gelagerter Fels, der ins Wanken geraten ist. Die Bassistin mit einem monotonen Grollen, das sich in lichten Klanggeweben auflöste. Auch Valentin Vecellio musizierte kraftvoll und energetisch klar. Die drei Instrumentalisten handhabten ein klassisches, zeitgenössisches und frei improvisiertes Vokabular, das im Widerschein von rigiden Gesetzesbuchstaben den emotionalen Teil aus dem grossen Menschenbuch schrieb.
PIRMIN BOSSART Kunstpanorama Luzern NLZ 29.Oktober 2003
Können Menschen mittels Musik und Malerei kommunizieren? Sie können! Eine eindrückliche Kostprobe dieser Kunst gaben Susanna Nüesch und der Musiker Valentin Vecellio am Donnerstagabend im St. Moritzer Kulturzentrum Laudinella ab. In ihrer – ausser ein paar einleitenden Erläuterungen – wortlosen Performance demonstrierten die zwei Künstler aus Zürich, wie im Wechselspiel von improvisierten Klarinetten- und Saxophonklängen und spontaner farbmalerischen Umsetzung „Kommunikationskunst“ entsteht. Spannend fürs kleine Publikum war, den sich gegenseitig beeinflussenden Partnern zuzuhören, bzw. zuzusehen. Susanna Nüesch malte ihre Reaktionen auf die Musik Valentin Vecellios auf eine Hellraumprojektor-Folie. Das Entstehen dieser farblichen Komposition „in progress“ war auf der weissen Raumwand mitzuverfolgen. Der Musiker seinerseits schob sich spielend vor das projizierte Bild und wurde aufgrund seiner weissen Kleidung und Gesichtsschminke Teil der mit Farbpinsel gestalteten Fläche. Zwei freie musikmalerische Gespräche boten die beiden Kunstschaffenden.
Den zweiten Teil der Performance bildete eine Diaschau, welche die beiden Kunstschaffenden während ihres Aufenthaltes in St.Moritz vorbereitet hatten. Über die in Überblendtechnik gezeigten Aufnahmen warfen die Veranstaltungsbesucher einen Blick auf das andere St.Moritz. Keine touristisch korrekten Postkartenansichten boten sich da dem Besucher von Top of the world in der Zwischensaison. Nachdenklich stimmten die morbid-visuellen Impressionen von der Chantarella-Ruine oder den hässlichen Häuserfassaden in St. Moritz-Bad. Ebenfalls keine prickelnde Champagnerluftstimmung, sondern einsame Poetik strahlten Nachtaufnahmen im verlassenen St.Moritz aus, mit den angestrahlten (Kirch)türmen als einzige Lichtquelle. Susanna Nüesch und Valentin Vecellio waren während drei Wochen zu Gast im Kulturzentrum Laudinella. Das St.Moritzer Kulturförderungsprojekt „Artist in residence“ gibt alljährlich ausgewählten jungen Künstlern eine Arbeits- und Auftrittsplattform.
Engadiner Post, Juni 2001
Es entstehen beim Sehen Überblendungen, wie sie Susanna Nüesch in ihren Fotos einsetzt, manchmal auch mit dem Mittel der Malerei. Dies zeigt sich stark in einer Serie von Bildern aus dem Jahr 1997. Die durchsichtig dünnaufgetragene Acryl-Farbe läuft stellenweise leicht aus, lasiert die mit Stift aufgetragenen Schriftzeichen. Vorsichtig wird hier das Leben als Geheimnis, als Rätsel angegangen. Wie vom Wasser überschwemmt, vom Gras überwuchert, aus fernen Zeiten dringen da Bilder über Bilder durch. Leerräume erlauben einen weiten Atem. Diese Malereien sind langsam entstanden,das wird sichtbar. Die verschiedenen Wirklichkeiten durchdringen sich heiter leicht, oft humorvoll, nicht symbolbefrachtet; im Gegensatz zu den früheren Ölmalereien.
Werdendes und Vergehendes sind nahe beieinander auch in den „Gedichten zum Frieden“ (1994) Erinnerungen an Kalligramme auch da und die Unmöglichkeit, sie als definierte Sprache zu lesen. Unser Verlangen ist geweckt, diese Notizen zu begreifen, auch den vermuteten persönlichen Anteil, die Zwischenzustände vor der Verwandlung.
Eva Kramis, Redaktorin NLZ, Kunstvermittlerin ( aus dem Heft Gedichtbilder 1999)© 2010-2023 www.su-art.ch | Impressum | zum Seitenanfang